25.11.2013

Die Anti-Volks-Partei

CDU blockiert bundesweiten Volksentscheid im Auftrag von 4,1% der Wahlberechtigten

Die CDU blockiert seit über 60 Jahren den bundesweiten Volksentscheid. Die Rückendeckung für diese gegen die Bürger gerichtete Politik schwindet jedoch zunehmend. Aktuell handelt die CDU mit ihrer Blockadehaltung im Auftrag von nur 4,1% der Wahlberechtigten.

In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD geht es unter anderem um die Einführung des bundesweiten Volksentscheids. SPD und CSU sind dafür, die CDU ist dagegen. Wie die CDU zu dieser Position kommt und warum sie daran festhält, ist schwer zu beantworten. Wie viel Prozent der Bürger sie dabei vertritt, hingegen leicht: Es sind nur 4,1%.

Eine von Focus in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut TMS Emnid hat ergeben, dass 84% der Bundesbürger für die Einführung direkter Demokratie in Form des bundesweiten Volksentscheids sind. Auch 83% der CDU-Wähler sind für den bundesweiten Volksentscheid. Anders herum: maximal[1] 17% der CDU-Wähler wollen den bundesweiten Volksentscheid nicht. Indem die CDU den bundesweiten Volksentscheid blockiert handelt sie also gegen das Interesse von mehr als vier Fünfteln Ihrer Wähler.

Noch haarsträubender wird es allerdings, wenn man ausrechnet, wie viel Prozent der Wahlberechtigten die CDU mit dieser Position vertritt. Bei der Bundestagswahl 2013 lag die Wahlbeteiligung bei 71,5%. Die CDU hat 34,1% der abgegebenen (Zweit-)Stimmen erhalten. Das heißt, die CDU repräsentiert 24,3% der Wahlberechtigten im Bundestag, also weniger als ein Viertel (0,715 Wahlbeteiligung * 0,341 Stimmen für die CDU = 0,243 Anteil der repräsentierten Wahlberechtigten). Aufgrund der Tatsache, dass die Prozente der an der 5-Prozent-Hürde gescheiterten Parteien und der Nichtwähler, den im Bundestag vertretenen Parteien zugeschlagen werden, hat die CDU jedoch 255 Sitze und somit 40,4% der Mandate im Bundestag bekommen.

Nach der vorherrschenden Rechtsauffassung können Elemente der direkten Demokratie auf Bundesebene nur durch eine Grundgesetzänderung eingeführt werden. Grundgesetzänderungen müssen von zwei Dritteln aller Abgeordneten unterstützt werden. Die Sperrminorität beträgt also 33,3% und die CDU kann durch die Stimmen von nur 24,3% der Wahlberechtigten aber mit 40,4% der Sitze Grundgesetzänderungen blockieren: Die Verfassung lässt sich ohne die CDU nicht ändern und der bundesweite Volksentscheid kann somit nur mit der CDU eingeführt werden.

Würde die CDU im Interesse der deutlichen Mehrheit von 83% ihrer Wähler handeln, so wäre dies kein Problem. In Bezug auf den bundesweiten Volksentscheid vertritt die CDU aber – wie oben erwähnt – nur die Interessen einer 17%-Minderheit ihrer eigenen Wähler. Dass heißt, wenn die CDU die Einführung des Bundesweiten Volksentscheids blockiert, so tut sie dies lediglich im Auftrag von 4,1% der Wahlberechtigten. (0,715 Wahlbeteiligung * 0,341 Stimmen für die CDU * 0,17 der CDU-Wähler gegen den Volksentscheid = 0,041 werden in dieser Frage von der CDU repräsentiert.)

Die Grundidee der repräsentativen Demokratie ist, dass die Volksvertreter die Interessen ihrer Wähler im Parlament vertreten – dass die Abgeordneten im Sinne derer handeln, mit deren Stimme sie ihr Mandat bekommen haben. Wenn eine Partei in einem zentralen Punkt ausdrücklich gegen dass Interesse von mehr als vier Fünfteln ihrer Wähler handelt, so löst sie das zentrale Versprechen der repräsentative Demokratie nicht ein. In diesem Fall vertreten die Abgeordneten die Interessen ihrer Wähler nicht, sondern verraten sie. Mit der Ablehnung des bundesweiten Volksentscheids liefert die CDU den besten Beweis dafür, dass die repräsentative Demokratie zuweilen nicht funktioniert und ein erhebliches Legitimationsdefizit aufweisen kann. Die Weigerung der CDU sich in der Frage der direkten Demokratie zu bewegen, macht deutlich, dass unser repräsentatives System dringend der Korrekturmöglichkeit bedarf, die die Einführung des Bundesweiten Volksentscheids bereitstellen würde.

Eine Partei, die sich selbst gerne als Volkspartei betrachtet, sollte sich was schämen und schleunigst ihre Position korrigieren. Dass die CDU längst überholte Positionen korrigieren kann, hat sich in der Atompolitik gezeigt. Es ist zu hoffen, dass ihr das auch in Bezug auf die direkte Demokratie gelingt. Wenn die CDU aber bei der Ablehnung des bundesweiten Volksentscheids bleibt, so tut sie dies gegen den Willen ihrer eigenen Wähler und gegen den Willen des Volkes. Dann vertritt sie nur 4,1% der Wahlberechtigten und wird sowohl zahlenmässig als auch inhaltlich zur Anti-Volks-Partei.


[1] Focus hat leider für die CDU-Wähler nur die Prozentzahl der Unterstützter des bundesweiten Volksentscheids angegeben. Die 17% Anderen müssten eigentlich in Gegener und Indifferente aufgeteilt werden. Dadurch wären die Zahlen noch unter 17% bzw 4,1%.

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